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Wissenschaftliche Bearbeitung der buddhistischen Höhlenmalereien in der Kuča-Region an der nördlichen Seidenstraße

Straße des 17. Juni 2
04107 Leipzig

Tel.: +49 341 9737-820



Fragment einer Buddhapredigt, Kizil Höhle 76 (Pfauenhöhle), um 500 n. Chr., Bild: Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Asiatische Kunst

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In den buddhistischen Höhlenanlagen der an der Nördlichen Seidenstraße gelegenen Kuča-Region (Uigurisches Autonomes Gebiet Xinjiang, VR China) finden sich beeindruckenden Wandmalereien aus dem ca. 5. bis 10. Jahrhundert. Diese werden nun erstmalig komplett erschlossen, dokumentiert und wissenschaftlich ausgewertet. Mitarbeiter des Forschungsvorhabens der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig erfassen sämtliche Malereien dieser Region wissenschaftlich kommentiert in einem datenbankgestützten Informationssystem. Hinzugezogen werden dafür auch Fragmente, die in Museen und Sammlungen weltweit aufbewahrt werden, sowie Malereien, die nur noch fotografisch, zeichnerisch oder in Beschreibungen erhalten sind. Ziel ist es, die Bildprogramme sowie die Darstellungsinhalte der Malereien, ihre literarische Basis und ggf. die Zugehörigkeit zu buddhistischen Schulen zu dokumentieren und kulturgeschichtlich auszuwerten. Dabei werden auch die Einflüsse von bildlichen Traditionen aus Indien, Iran, der klassischen Antike und China untersucht.

Mit diesem Projekt wird an der Akademie in Leipzig – in Kooperation mit Wissenschaftlern in verschiedenen europäischen Ländern, China, Japan und den USA – das weltweit größte Zentrum für die Erforschung der Kuča-Malereien aufgebaut. Erstmalig können buddhistische Höhlenmalereien in ihrer Gesamtheit für die religions-, kunst- und kulturwissenschaftliche Erforschung des Buddhismus und dessen Verbreitung nach Ostasien zugänglich gemacht werden.

Der Buddhismus in der Kuča-Region

Kuča war ein nach seiner Hauptstadt benanntes tocharisches Königreich im östlichen Zentralasien, das aufgrund seiner Lage an der Nördlichen Seidenstraße, einem nördlich entlang der Taklamakan-Wüste verlaufenden Zweig der antiken Seidenstraße, zwischen dem 2. Jh. v. Chr. und 11. Jh. n. Chr. ein bedeutendes Handelszentrum war. An diesem wichtigen Knotenpunkt der alten Karawanenstraßen zwischen dem Mittelmeerraum und dem Fernen Osten wurden nicht nur Waren aus dem Osten und Westen kommend getauscht, sondern hier trafen auch Angehörige verschiedener Völker und Religionen aufeinander.

Der aus Indien stammende Buddhismus wurde in der Kuča-Region spätestens im 3. Jh. n. Chr. zur vorherrschenden Religion. In der Folgezeit entstanden buddhistische Höhlenanlagen, die bis zum Eintreffen des Islams im 10./11. Jahrhundert Bestand hatten. Zum Teil mit prächtigen Wandmalereien ausgeschmückt waren sie Zentrum der buddhistischen Gemeinden und liefern bis heute Zeugnis zum gelebten Buddhismus in der Region.

Die Malereien

Insgesamt gibt es in der Kuča-Region zehn buddhistische Höhlenkomplexe. Der größte und bekannteste ist die Anlage von Kizil mit nahezu 400 Höhlen (339 davon nummeriert). Die anderen sind: Kumtura (114 nummerierte Höhlen), Simsim (57 nummerierte Höhlen), Kizilgaha (64 nummerierte Höhlen), Mazabaha (44 nummerierte Höhlen), Wenbashi (26 nummerierte Höhlen), Tuohulake‘aiken (20 nummerierte Höhlen), Taitai‘er (18 nummerierte Höhlen), Subashi (5 nummerierte Höhlen) und A‘ai (1 nummerierte Höhle). Ungefähr ein Drittel aller Höhlen sind mit Wandmalereien verziert.

Die Malereien stehen in enger Beziehung zur indischen Kunst und zeigen narrative oder devotionale Themen, wie Szenen buddhistischer Erzählungen und Legenden oder Bildnisse von Buddhas, Bodhisatvas und Gottheiten. Außerdem enthalten sie Darstellungen rein dekorativer Natur, wie stilisierte Landschaften, Architekturdarstellungen und eine Vielzahl von Ornamenten.

Die Malereien sind faszinierend, denn obwohl sie sich zum großen Teil auf indische Vorbilder zurück führen lassen, sind sie in einem Stil ausgearbeitet, der gemischt ist mit Elementen aus dem Mittelmeer- und dem syrisch-iranischen Raum sowie später aus Ostasien.

Forschungsgeschichte

Nachdem die Welt Ende des 19. Jh. Kunde von der Existenz vergangenen buddhistischen Lebens im östlichen Zentralasien erhielt, sandten verschiedene Nationen zu seiner Erforschung Expeditionen in das Gebiet aus. Von den vier deutschen Expeditionen, die zwischen 1902 und 1914 durchgeführt wurden, arbeiteten drei in den Jahren 1902, 1906 und 1913 in den buddhistischen Höhlenanlagen von Kuča. Sie entdeckten zahlreiche, in verschiedenen Sprachen und Schriften abgefasste Manuskriptfragmente. Bei dem Großteil handelt es sich um religiöse Schriften, die, wie die Mehrzahl der Inschriften am Ort, entweder im indischen Sanskrit oder in der damals einheimischen und heute ausgestorbenen tocharischen Sprache (Tocharisch B) verfasst waren.

Des Weiteren „bargen“ die Expeditionen in großer Zahl Teile von Wandmalereien aus den Höhlen, die sie zusammen mit den Manuskriptfragmenten und anderen Artefakten nach Berlin schickten. Ein Grund hierfür war, die Malereien auf diese Weise zu retten, weil sie durch die islamische Bevölkerung oder Naturgewalten, wie Erdbeben, zerstört werden könnten. Wie die Geschichte jedoch zeigte, wären die Malereien am Ort sicherer gewesen als in Berlin, denn mehrere Fragmente fielen den Bombenangriffen im 2. Weltkrieg zum Opfer.

Heute befinden sich viele der nach Berlin verbrachten Wandmalereifragmente und Artefakte am Museum für Asiatische Kunst und bilden die größte Sammlung chinesisch-zentralasiatischer Kunst außerhalb Zentralasiens. Eine nicht geringe Anzahl der Malereifragmente gelangte nach Ende des 2. Weltkrieges nach Russland und wird heute in der Eremitage in St. Petersburg, aufbewahrt. Weitere Fragmente der Berliner Sammlung wurden noch vor Ausbruch des 2. Weltkrieges verschenkt oder verkauft und sind heute in mindestens 15 Museen auf der Welt verstreut.

Die enorme Bedeutung der Kuča-Wandmalerei als Abkömmling der indischen Kunst und Kultur wurde bereits von den deutschen Wissenschaftlern Grünwedel, von Le Coq und Waldschmidt erkannt, und sie erklärten die Darstellungen auf Grundlage von Sanskrit-Texten. Nach der Kulturrevolution begann auch in China die Erforschung der Wandmalereien. Aufgrund von Sprachbarrieren wurden jedoch kaum deutsche Publikationen herangezogen und die Interpretationen erfolgten anhand chinesischer Quellen. Auf der anderen Seite waren, wiederum aufgrund von Sprachbarrieren, bedeutende Forschungsergebnisse chinesischer Wissenschaftler, wie die von Su Bai, im Westen kaum bekannt. Erst in den letzten Jahren begannen sich beide Seiten füreinander zu öffnen. In diesem Kontext entstand eine wichtige Kooperation zwischen dem Museum für Asiatische Kunst, Berlin und der Kucha Academy in Ürümqi.

Aufgabenfelder des Akademievorhabens „Buddhistische Wandmalereien der Kuča-Region an der Nördlichen Seidenstraße“

Datenbankgestütztes Informationssystem

Die Malereien der Kuča-Region werden sukzessive in einem datenbankgestützten Informationssystem unter Angabe ihres Standortes mit Kurzbeschreibung und Verweis auf relevante Publikationen erfasst. Dabei werden sie mit einer eigens auf das Projekt abgestimmten Taxonomie verknüpft. Sie umfasst die Kategorien Ikonographie, Bildelemente und Ornamentik und stellt nicht nur die Nutzung eines einheitlichen Vokabulars, sondern auch die schnelle Durchsuchbarkeit des umfangreichen Informationssystems sicher. Soweit möglich wird jeder Malerei eine entsprechende photographische Reproduktion oder Zeichnung beigegeben, in der die jeweiligen in der Taxonomie vermerkten Elemente markiert und farblich hervorgehoben werden. Dies macht die Beschreibungen nicht nur im wissenschaftlichen Diskurs leicht und vollständig nachvollziehbar, sondern ermöglicht auch der interessierten Öffentlichkeit einen niederschwelligen Zugang.

Einen wichtigen Teil des Informationssystems bildet die „Annotated Bibliography“. Sie erfasst die für die Wandmalereien Kučas relevante Literatur sowohl in europäischen als auch in asiatischen Sprachen und umfasst Schriften zum Stil, Inhalt und Erhaltungszustand der buddhistischen Malereien, inklusive konservatorischer Maßnahmen und Erkenntnisse, sowie zur Religion, Geschichte und Forschungsgeschichte Kučas. Zu den jeweiligen Publikationen wird eine kurze kritische Inhaltsangabe in englischer Sprache mit weiterführenden Verweisen bereitgestellt, um damit der internationalen Fachwelt einen einfacheren Zugang zu der sehr gesamten Literatur zu ermöglichen.

Das Informationssystem dient sowohl zur Bearbeitung des Materials als auch zur Veröffentlichung der Ergebnisse und bildet eine nachhaltige Grundlage für alle weiteren Untersuchungen.

Publikationen

In der für das Projekt eingerichteten Publikationsreihe „Leipzig Kucha Studies“ werden mindestens 17 Monographien mit Forschungsergebnissen erscheinen.

Weitere Aktivitäten
 

Keimyung Silk Road Academic Award 2023
Preisverleihung des Keimyung Silk Road Award









Projektlaufzeit: 2016–2030

 

Dieses Forschungsvorhaben ist Teil im Akademienprogramm, das als derzeit größtes geistes- und kulturwissenschaftliches Langfrist-Forschungsprogramm der Bundesrepublik Deutschland von Bund und Ländern getragen wird. Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushalts.
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Projektgruppe

  1. Eli Franco, Prof. Dr. phil. habil. [Projektleiter, OM, Philologisch-historische Klasse]
  2. Dieter Schlingloff, Prof. Dr. phil. habil. [Wissenschaftlicher Berater]
  3. Monika Zin, Prof. Dr. phil. habil. [Arbeitsstellenleiterin]
  4. Ulf Jäger, Dr. phil. [Wissenschaftlicher Mitarbeiter]
  5. Ines Konczak-Nagel, Dr. phil. [Wissenschaftliche Mitarbeiterin]
  6. Erik Radisch, Dr. [Wissenschaftlicher Mitarbeiter Digital Humanities]
  7. Fang Wang, M.A. [Wissenschaftliche Mitarbeiterin]
  8. Olga Kienzler, M.A. [Doktorandin]
  9. Yi Xie, M.A. [Doktorandin]
  10. Robert Arlt, M.A. [Wissenschaftliche Hilfskraft]
  11. Dominika Klimaszewski, M.A. [Wissenschaftliche Hilfskraft]
  12. Robert Schulz, M.A. [Wissenschaftliche Hilfskraft]
  13. Satomi Hiyama, Dr. phil. [Extern]

Vorhabenbezogene Kommission Buddhistische Höhlenmalerei

  1. Angelika Berlejung, Prof. Dr. theol. [OM]
  2. Max Deeg, Prof. Dr. habil. [Cardiff]
  3. Phyllis Granoff, Prof. Dr. [Yale]
  4. Dieter Maue, Dr. phil. [Cölbe-Schwarzenborn]
  5. Markus Mode, Prof. Dr. phil. habil. [Halle/Saale]
  6. Michael Zimmermann, Prof. Dr. [Hamburg]
Akademienprogramm Gesamt

Übersicht über alle laufenden Forschungsprojekte im Akademienprogramm:
www.akademienunion.de

Zum AGATE-Portal, Forschungsinformationssystem der Wissenschaftsakademien:
https://agate.academy/

Termine
Leipzig liest: Michael Hecker u. Bärbel Friedrich: Die ostdeutschen Universitäten im vereinten Deutschland 21.03.2024 18:30 - 20:00 — Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Karl-Tauchnitz-Straße 1, 04107 Leipzig
Öffentliche Frühjahrssitzung 2024 12.04.2024 16:00 - 18:00 — Festsaal des Alten Rathauses zu Leipzig, Markt 1, 04109 Leipzig
DIKUSA-Projekt: Forschungstag mit Halbzeitbilanz 15.04.2024 13:00 - 17:30 — Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek (SLUB), Klemperersaal, Zellescher Weg 18, 01069 Dresden
RECHT HABEN WOLLEN. Wie sollen gesellschaftlich brisante Themen in der Wissenschaft debattiert werden? 07.06.2024 09:00 - 18:00 — Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Karl-Tauchnitz-Straße 1, 04107 Leipzig
26th International Conference of the European Association for South Asian Archaeology and Art 16.09.2024 - 20.09.2024 — Universität Leipzig, Augustusplatz 10, 04109 Leipzig
Texttransfer und intertextuelle Bezüge in den Inschriften des Mittelalters und der Frühen Neuzeit 07.10.2024 - 09.10.2024 — Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Karl-Tauchnitz-Straße 1, 04107 Leipzig
… darf man das? 21.10.2024 19:00 - 21:00 — Kupfersaal Leipzig, Kupfergasse 2, 04109 Leipzig
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