Hortulus theodiscus

Inhalt


Über den Garten
Podcast zum Hortulus theodiscus
Film über das Projekt und den Garten auf Youtube
Die Auflösung des Gartenrätsels
Gartenplan: Übersicht der Anordnung der Pflanzen im Garten
Gartenbesuch
Literatur

Biene im Hortulus

 

Über den Garten

Im Akademievorhaben Althochdeutsches Wörterbuch werden sämtliche althochdeutschen Wörter aus Quellen vom 8. bis zum 11. Jahrhundert erschlossen. Die Belege stammen vor allem aus Texten der Bibel und der christlichen Glaubenslehre, aber auch aus anderen Bereichen, wie zum Beispiel der Pflanzenkunde.

Um die Wörterbuch-Arbeit vielfältig erfahrbar zu machen, wurde 2016 im Akademie-Garten ein karolingischer Kräuter- und Heilpflanzengarten, der Hortulus theodiscus, angelegt. Der Garten folgt einem historischen Vorbild, das auch für das Althochdeutsche Wörterbuch relevant ist. Im 9. Jahrhundert schrieb Walahfrid Strabo (808/9–849), der für einige Jahre Abt auf der Reichenau war, das botanische Lehrgedicht De cultura hortorum (Über den Gartenbau). In diesem beschreibt er in 444 lateinischen Hexametern seinen selbst angelegten Klostergarten. Er erzählt von seinen Erfahrungen im Gartenbau und geht detailliert auf die physischen Eigenschaften, heilenden Kräfte und religiösen Bedeutungen der 24 Pflanzen ein. Eine Handschrift dieses Textes, Rep. I. 53, liegt in der Universitätsbibliothek Leipzig. In ihr wurden einige der lateinischen Wörter zwischen den Zeilen ins Althochdeutsche übersetzt. Diese Einträge, die in der Sprachwissenschaft Glossen genannt werden, wurden ins Althochdeutsche Wörterbuch aufgenommen und tragen zur Erforschung der althochdeutschen Sprache bei.

Ausschnitt aus der Leipziger Hortulus-Handschrift (Leipzig, Universitätsbibliothek, Rep. I. 53, fol. 1r)
Ausschnitt aus der Leipziger Hortulus-Handschrift (Leipzig, Universitätsbibliothek, Rep. I. 53, fol. 1r)

Walahfrids poetischen Spaziergang kann man im Hortulus theodiscus nachempfinden. Schmale Wege führen durch leicht erhöhte und mit Brettern eingefasste Beete, in denen statt Walahfrids 24 nun 30 Pflanzenarten wachsen und gedeihen (siehe Gartenplan). Der Unterschied beruht auf der historischen Sprachentwicklung. Wie viele andere Wörter haben sich auch die Pflanzennamen seit dem frühen Mittelalter so sehr verändert, dass nicht mehr alle Pflanzen eindeutig identifiziert werden können. Mithilfe historischer Quellen wie dem Capitulare de villis, einer landwirtschaftlichen Verordnung Karls des Großen, lexikalischen Sammlungen seit der Antike oder Texten von Hildegard von Bingen lassen sich die meisten von Walahfrid genannten Pflanzen sicher zuordnen. Für vier Namen wurden allerdings mehrere Möglichkeiten ausgemacht, die alle im Hortulus theodiscus vorgestellt werden.

Die althochdeutschen Pflanzennamen und ihre neuhochdeutschen sowie lateinischen Bezeichnungen kann man auf den Pflanzenschildern des Hortulus theodiscus nachlesen. Bei Gartenführungen oder zu öffentlichen Veranstaltungen im Garten (siehe Gartenbesuch) kann man außerdem viel mehr zur Bedeutung der Pflanzennamen, der Wirkung und Nutzung der Pflanzen und den historischen Hintergründen des Gartens erfahren.

Die althochdeutschen Pflanzennamen und ihre neuhochdeutschen sowie lateinischen Bezeichnungen kann man auf den Pflanzenschildern des Hortulus theodiscus nachlesen. Bei Gartenführungen oder zu öffentlichen Veranstaltungen im Garten (siehe Gartenbesuch) kann man außerdem viel mehr zur Bedeutung der Pflanzennamen, der Wirkung und Nutzung der Pflanzen und den historischen Hintergründen des Gartens erfahren.

 

Podcast zum Hortulus theodiscus

Die Akademie-Wissenschaftlerinnen Dr. Almut Mikeleitis-Winter und Dr. Aletta Leipold waren zweimal Gäste beim Podcast "Mönchsgeflüster – Klostergeschichten aus dem Mittelalter".

Podcast "Mönchsgeflüster" - Klostergeschichten aus dem Mittelalter

Gemeinsam mit Podcast-Gastgeber Marvin Gedigk vom Badischen Landesmuseum, Schloss Karlsruhe, sprechen sie über Klostergärten, Heilkräuter und Nutzpflanzen (Folge 19) sowie darüber, wie und wann das Althochdeutsche entstand und wie es geklungen hat (Folge 24). Der Podcast entsteht im Rahmen der Großen Landesausstellung "Welterbe des Mittelalters – 1300 Jahre Klosterinsel Reichenau" und legt einen Schwerpunkt auf Themen der Kloster- und Kirchengeschichte. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler berichten aus ihrem je eigenen Blickwinkel aus der Archäologie, Kunstgeschichte, den Geschichts- und Sprachwissenschaften.

Die Ausstellung ist vom 20. April bis 20. Oktober 2024 im Archäologischen Landesmuseum Baden-Württemberg in Konstanz zu sehen und auf der Klosterinsel Reichenau.

Folge 19: Welche Pflanzen wachsen im Klostergarten? (18. März 2024)
Folge 24: Wie klang Althochdeutsch? (22. April 2024)


 

Film über das Projekt und den Garten auf Youtube

https://youtu.be/mDwsv9VJBJE

"Making of" und Bildnachweise zum Film

 

Die Auflösung des Gartenrätsels

Bitte klicken Sie für eine größere Darstellung auf das Bild.









































1. Welche lateinischen Texte wurden am häufigsten althochdeutsch kommentiert?

  • die Bücher der Bibel
  • botanische Lehrbücher
  • medizinische Traktate

Die richtige Antwort lautet: die Bücher der Bibel. Fast die Hälfte der bekannten althochdeutschen Wortübersetzungen (‚Glossen‘, siehe Frage 7) stehen zu Texten der Bibel. Es handelt sich um circa 47.000 Einträge, wobei die Zahl stetig wächst, da immer wieder neue althochdeutsche Wörter gefunden werden. Botanische und medizinische Abhandlungen wurden ebenfalls althochdeutsch kommentiert, aber bei weitem nicht so oft wie die Bibel.

2. Wie hieß die Melone auf Althochdeutsch?

  • mago
  • phedemo
  • kurbiz

Die richtige Antwort lautet: phedemo. ‚phedemo‘ bezeichnete vermutlich die Melonenart, die heute botanisch Cucumis melo L. heißt. Der althochdeutsche Name wurde aus dem lateinischen Wort für Melone, ‚pepo‘, abgeleitet. Die anderen beiden Antworten sind auch althochdeutsche Pflanzennamen: ‚mago‘ bedeutet Schlaf-Mohn (Papaver somniferum L.) und ‚kurbiz‘ bedeutet Flaschenkürbis (Lagenaria vulgaris SER.).

3. Was wächst hier im Beet?

  • Frauenminze, Muskateller-Salbei und Schlaf-Mohn
  • Fenchel, Andorn und Wermut
  • Odermennig, Heilziest und Sellerie

Die richtige Antwort lautet: Fenchel, Andorn und Wermut. Nach der Interpretation von De cultura hortorum, die der Anlage des Hortulus theodiscus zugrunde liegt, ist dieses Beet das dritte, das Walahfrid in seinem poetischen Rundgang durch seinen Garten beschreibt. Frauenminze, Muskateller-Salbei und Schlaf-Mohn stehen im fünften Beet und Odermennig, Heilziest und Sellerie im sechsten Beet, also erst nach der Gedichtmitte, die der Lilie gewidmet ist.

4. Die althochdeutschen Namen suuertala und gleiekrût stehen für ...?

  • die Schwertlilie
  • den Liebstöckel
  • den Kerbel

Die richtige Antwort lautet: die Schwertlilie. Die beiden althochdeutschen Bezeichnungen für die Schwertlilie (Iris germanica L.) deuten auf die Schwert-ähnliche Form der Blätter hin. ‚suuertala‘ stammt vom althochdeutschen Wort für ‚Schwert‘, ‚gleiekrût‘ ist eine Zusammensetzung aus altfranzösisch ‚glai(e)‘ (‚Schwert‘) und althochdeutsch ‚krût‘ (‚Kraut‘). Althochdeutsche Namen der anderen beiden Pflanzen waren ‚lubisteckal‘ für Liebstöckel (Levisticum officinale KOCH) und ‚kervil‘ für Garten-Kerbel (Anthriscus cerefolium (L.) HOFFM.).

5. Was symbolisiert die weiße Lilie?

  • Heldenmut
  • Erfolg und Macht
  • Reinheit und Unschuld

Die richtige Antwort lautet: Reinheit und Unschuld. Ihre christliche Symbolkraft erlangte die weiße Madonnen-Lilie (Lilium candidum L.) aufgrund ihrer strahlend weißen Farbe und des zarten Dufts, der verfliegt, wenn die Blütenblätter beschädigt werden. Schon lange vor dem Aufkommen des Christentums wurde dagegen die Schwertlilie (Iris germanica L.) als Zeichen für Heldenmut und der Fenchel (Foeniculum vulgare MILL.) als Zeichen für Erfolg angesehen.

6. Welche Heilwirkung hat Walahfrid dem Schlaf-Mohn zugeschrieben?

  • er hilft gegen Kopfschmerzen/Schwächegefühl
  • er lindert Geschwüre und lässt vergessen
  • er heilt Fleischwunden und hilft gegen Narben

Die richtige Antwort lautet: er lindert Geschwüre und lässt vergessen. Die Wirkungen des Schlaf-Mohns (Papaver somniferum L.) beruhten vermutlich auf dem Opium, das im Milchsaft der Pflanze enthalten ist. Zur Heilung von Wunden empfiehlt Walahfrid die Katzenminze (Nepeta cataria L.) in Kombination mit Rosenöl, bei Kopfschmerzen und Schwäche den Wermut (Artemisia absinthium L.).

7. Wie nennt man althochdeutsche Worteinträge in lateinischen Texten? (hier 'minzzun' zu lat. 'menta')

  • Glossen
  • Translationen
  • Grapheme

Die richtige Antwort lautet: Glossen. In der historischen Sprachwissenschaft steht der Begriff 'Glossen' für Wörter, die ergänzend zu einem Text geschrieben wurden und diesen kommentieren. Im Falle althochdeutscher Glossen handelt es sich dabei vorrangig um einzelne Übersetzungen in lateinischen Texten. Die anderen Begriffe sind nicht spezifisch sprachhistorisch: ‚Grapheme‘ sind die graphischen Zeichen einer Sprache, ‚Translation‘ benennt allgemein jede Form von Übersetzung.

8. Welche Pflanze blüht hier?

  • Odermennig
  • Eppich
  • Rainfarn

Die richtige Antwort lautet: Odermennig. Den Gewöhnlichen Odermennig (Agrimonia eupatoria L.) kann man gut an seinem länglichen Blütenstand und den kräftig gelben Blüten mit fünf Blütenblättern erkennen. Nach Walahfrid hilft er bei Magenschmerzen. Der Rainfarn (Tanacetum vulgare L.) blüht ebenfalls gelb, allerdings sehen seine Blüten wie kleine Knöpfe aus. Der Eppich oder Echter Sellerie (Apium graveolens L.) hat dagegen viel kleinere, weiße Blüten.

9. Welches Tier ist uns hier auf den Meerrettich geflattert?

  • Hinkekäfer
  • Purzelkäfer
  • Stolperkäfer

Die richtige Antwort lautet: Stolperkäfer. Der Stolperkäfer (Valgus hemipterus) ist hier vermutlich auf der Suche nach Pollen, die den Großteil seiner Ernährung ausmachen. Der Meerrettich (Armoracia rusticana G. M. SCH.) passt in sein Nahrungsschema, grundsätzlich ist der Käfer aber nicht wählerisch. Den Hinkekäfer und den Purzelkäfer gibt es leider nicht wirklich – die beiden haben wir uns ausgedacht.

 

Gartenplan: Übersicht der Anordnung der Pflanzen im Garten

 

Anordnung der Bepflanzung im Garten
Gartenplan: Plan des Hortulus theodiscus mit den lateinischen Pflanzennamen aus De cultura hortorum und ihren heutigen deutschen Entsprechungen. Der Garten wurde nach der Interpretation von Wolfgang Fels’ ‚Ein Gärtchen nach Mass‘ (in: Berschin 2023) angelegt.
 

 


Der Klostergarten - Hortulus theodiscus - der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Foto: SAW
Ausschnitt des Gartens

 

 

Gartenbesuch

Der Hortulus theodiscus wird regulär zur Langen Nacht der Wissenschaften (nächster Termin: 20. Juni 2025) geöffnet. Zu dieser Veranstaltung ist der Garten öffentlich zugänglich. Man kann ihn sich mit ausgelegtem Informationsmaterial selbst erschließen oder an der Führung teilnehmen.
Weitere Informationen zur Langen Nacht der Wissenschaften: https://www.wissen-in-leipzig.de/

Wer den Hortulus zu einem anderen Zeitpunkt besichtigen möchte, kann sich an Dr. Almut Mikeleitis-Winter
() wenden. Das Team der Arbeitsstelle Althochdeutsches Wörterbuch ermöglicht nach Absprache auch Führungen für Schulklassen und andere Gruppen.

 

Literatur

  • Bergmann, Rolf & Stricker, Stefanie (Hrsg.): Die althochdeutsche und altsächsische Glossographie. Ein Handbuch. Berlin/New York 2009.
  • Berschin, Walter u.a. (Hrsg.): Walahfrid Strabo. De cultura hortorum (Hortulus). Das Gedicht vom Gartenbau. 3. Aufl. Heidelberg 2023.
  • Schönberger, Otto (Hrsg.): Walahfrid Strabo. De cultura hortorum. Über den Gartenbau. Lateinisch/Deutsch. Stuttgart 2015.
  • Stoffler, Hans-Dieter: Der Hortulus des Walahfrid Strabo: Aus dem Kräutergarten des Klosters Reichenau. Neuausg. Sigmaringen 1997.




zum Akademienvorhaben Althochdeutsches Wörterbuch.

Aktuelle Akademie-Projekte

Vorhaben im Akademienprogramm

Althochdeutsches Wörterbuch

Bach-Repertorium

Bibliotheca Arabica

Briefe und Akten zur Kirchenpolitik Friedrichs des Weisen und Johanns des Beständigen

Codex diplomaticus Saxoniae

Corpus Judaeo-Hellenisticum

Deutsche Wortfeldetymologie in europäischem Kontext

Die Deutschen Inschriften

Edition der Briefe Philipp Jakob Speners

Edition der Briefe Robert und Clara Schumanns

Edition des Gottsched-Briefwechsels

Etymologisches Wörterbuch des Althochdeutschen

Europäische Traditionen – Enzyklopädie jüdischer Kulturen

Forschungsportal BACH

Friedrich Heinrich Jacobi: Briefwechsel

Klöster im Hochmittelalter

Leipziger Mendelssohn-Ausgabe

PROPYLÄEN. Forschungsplattform zu Goethes Biographica

Robert Schumanns Poetische Welt

Text- und Wissenskultur im alten Ägypten

Buddhistische Höhlenmalereien in der Kucha-Region


Landes- und drittmittelfinanzierte Vorhaben:

DIKUSA – Vernetzung digitaler Kulturdaten in Sachsen

NFDI Text+: Forschungsdateninfrastruktur und lexikalische Ressourcen

SaxFDM-Fokusprojekt: Publikationsdienst für wissenschaftliche Datenmodelle und Vokabulare

Kulturerbe Tanz in der DDR

Umgang mit Andersdenkenden und die Konsequenzen: eine datenbasierte Analyse der Politik der SED gegenüber den Bausoldaten

Landeskunde

Landschaft als KulturErbe. Transformation einer Bergbaulandschaft in Sachsen im 20. Jahrhundert

Das Sächsische Weichbildrecht mit Glosse. Digitale Edition der Handschrift Staatsbibliothek Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Ms. germ. fol. 389, im Rahmen der Monumenta Germaniae Historica (MGH)

Technikfolgenabschätzung

Akademienprogramm Gesamt

Übersicht über alle laufenden Forschungsprojekte im Akademienprogramm:
www.akademienunion.de

Zum AGATE-Portal, Forschungsinformationssystem der Wissenschaftsakademien:
https://agate.academy/

Termine
… darf man das? 21.10.2024 19:00 - 21:00 — Kupfersaal Leipzig, Kupfergasse 2, 04109 Leipzig
Vertrauen – naiv oder notwendig? 29.10.2024 19:00 - 21:00 — Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Karl-Tauchnitz-Straße 1, 04107 Leipzig
Heisenberg in Leipzig – Im Dunstkreis der Politik 07.11.2024 18:00 - 19:30 — Vortragssaal Bibliotheca Albertina, Beethovenstr. 6, 04107 Leipzig
Caspar David Friedrich im Jubiläumsjahr 2024. Zwischen Aktualisierungen, Grundsatzfragen und Sachforschung 22.11.2024 11:15 - 12:15 — Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Karl-Tauchnitz-Straße 1, 04107 Leipzig
Gelehrter Antisemitismus: Spannung und Kontroverse im Zeitalter der Emanzipation 12.12.2024 17:15 - 18:15 — Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Karl-Tauchnitz-Straße 1, 04107 Leipzig
Denkströme

Denkströme IconDas Open Access (Online-)Journal der Sächsischen Akademie der Wissenschaften:

www.denkstroeme.de

Diffusion Fundamentals

Diffusion Fundamentals IconInterdisziplinäres Online Journal für Diffusionstheorie in Kooperation mit der Universität Leipzig:
diffusion.uni-leipzig.de

Internationale Konferenzreihe:
saw-leipzig.de/diffusion