18.07.2025 – Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung zeichnet den Historiker Dan Diner mit dem Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa 2025 aus. Der Preis ist mit 20.000 Euro dotiert und wird zusammen mit dem Georg-Büchner-Preis am 1. November 2025 in Darmstadt verliehen.
Der emeritierte Professor für moderne Geschichte an der Hebrew University Jerusalem und für jüdische Geschichte und Kultur an der Universität Leipzig ist seit 2000 Ordentliches Mitglied der Philologisch-historische Klasse der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig.
Die Begründung der Jury lautet:
"Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung verleiht den Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa 2025 dem Historiker und Publizisten Dan Diner, der immer wieder die Geschichte des Judentums als Seismograph der Moderne verstanden hat. In seinem historiographisch-kritischen Werk, in seiner akademischen Lehre – etwa als Direktor des Simon-Dubnow-Instituts für jüdische Geschichte und Kultur in Leipzig – und in seinen Schriften steht hinter dem kunstvoll nüchternen Duktus ein leidenschaftliches Engagement, sei es in einer Synthese wie Das Jahrhundert verstehen – 1917–1989. Eine universalhistorische Deutung oder in einer Detailstudie wie jener über die ›Wiedergutmachung‹: Rituelle Distanz. Israels deutsche Frage. Einen Höhepunkt seiner Arbeit stellt die Herausgeberschaft der Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur dar – eine Neuerfindung der Enzyklopädistik auf den Trümmern des Fortschrittsdenkens. Drei Stichworte, die der Herausgeber selbst verfasst hat, sind "Restitution", "Verschwörung" und "Weltgeschichte". Diese Begriffe umkreisen praktisch, theoretisch, ideologiekritisch die Frage, wie nach dem Zivilisationsbruch des Nationalsozialismus der Geschichtszusammenhang zu denken ist. Hier bedarf es Dan Diners luzider Prosa."
Dan Diner, geboren 1946 in München, ist emeritierter Professor für Moderne Geschichte an der Hebräischen Universität Jerusalem. Von 1999 bis 2014 war er Direktor des Simon-Dubnow-Instituts für jüdische Geschichte und Kultur sowie Professor an der Universität Leipzig. Dan Diner studierte Rechts- und Sozialwissenschaften in Frankfurt am Main, wurde 1973 promoviert und habilitierte sich 1980. Er unterrichtete Moderne Arabische Geschichte in Odense (Dänemark), bevor er 1985 auf den Lehrstuhl für Außereuropäische Geschichte an der Universität Essen berufen wurde. Seit 1988 lehrte er Europäische Geschichte an der Universität Tel Aviv und leitete von 1994 bis 1999 das dortige Minerva Institut für Deutsche Geschichte. Zahlreiche Gastprofessuren und Forschungsaufenthalte führten ihn nach Wien, Oxford, Princeton, Stanford, Duke, Chicago und Uppsala.
Dan Diner wurde unter anderem ausgezeichnet mit dem Ernst-Bloch-Preis (2006), dem Leipziger Wissenschaftspreis (2015) und dem Ludwig-Börne-Preis (2025). 2015 wurde ihm die Ehrendoktorwürde durch den Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften der Freien Universität Berlin verliehen. In Berlin war er Vorstand der Alfred Landecker Foundation und ihres Stiftungsrats. In Jerusalem steht er dem Jacob Robinson Institute for the History of Individual and Collective Rights vor. Er ist Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig.
Zu seinen Veröffentlichungen zählen: Gegenläufige Gedächtnisse. Über Geltung und Wirkung des Holocaust (2007/2020); Das Jahrhundert verstehen – 1917–1989. Eine universalhistorische Deutung (1999/2015); Versiegelte Zeit. Über den Stillstand in der islamischen Welt (2005/2015); Zeitenschwelle. Gegenwartsfragen an die Geschichte (2010); Rituelle Distanz. Israels deutsche Frage (2015); Aufklärungen. Wege in die Moderne (2017); Ein anderer Krieg. Das jüdische Palästina und der Zweite Weltkrieg 1935–1942 (2021).
Er ist Herausgeber der im Auftrag der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig erschienenen siebenbändigen Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur (2011–2017), die auch englischer Sprache vorliegt.
Der Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa wird seit 1964 von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung verliehen. Der Preis wird von der ENTEGA Stiftung finanziert.
Pressemitteilung auf der Website der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung
Weitere Informationen zum Sigmund-Freud-Preis
Simon-Dubnow-Instituts für jüdische Geschichte und Kultur in Leipzig