Am 29. Mai 2018 finden an der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig Vorträge zum Themenfeld Digital Humanities statt. Diese sind Teil der Vortragsreihe "Digital Humanities - Theorie und Methodik" des Instituts für Romanistik an der Universität Leipzig unter Federführung von Prof. Elisabeth Burr und finden mit Unterstützung der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig statt. Interessenten sind herzlich willkommen.
Die Vorträge stehen unter dem Zeichen der Weiternutzung, Bereicherung und systematischen Analyse von im analogen Zeitalter gesammelten Sprachdaten im digitalen Zeitalter stehen. Konkret geht es um die Ende des 19. Jahrhunderts gerade in der Romanistik zur Blüte gekommene Sprachgeographie bzw. Geolinguistik, die im 20. Jahrhundert durch die Dialektometrie und deren Rückgriff auf digitale und quantitative Methoden weiterentwickelt wurde und jetzt im 21. Jahrhundert in die Digital Humanities transferiert und damit neu kontextualisiert wird. Daran lassen sich nicht nur Wege eines nachhaltigen und produktiven Umgangs mit Forschungsdaten erkennen, sondern es wird auch deutlich, wie sich Methodologie und Selbstverständnis einer Disziplin im Zuge der Digitalisierung ändern.
Die im Wintersemester 2014/15 begründete Vortragsreihe hat das Ziel, den Begriff „Digital Humanities“ mit Inhalten zu füllen, indem Fragen ihrer Theorie und Methodik einer breiteren wissenschaftlichen Öffentlichkeit vorgestellt werden. Dabei soll auch darüber reflektiert werden, wo die traditionellen Grenzen zwischen Disziplinen wie z. B. Sprachwissenschaft, Literaturwissenschaft und Kulturwissenschaft nur „gewollte“ Grenzen sind, die sich letztendlich als hinderlich erweisen, und ob nicht gerade die Digitalen Geisteswissenschaften aufgerufen sind, eine Theorie zu entwickeln, die die gemeinsamen Grundlagen und Methoden in den Fokus nimmt.
VORTRÄGE
17.15–18.30 Uhr
Hans Goebl (Universität Salzburg): Die Sprachgeographie / géographie linguistique – quantitativ und digital beflügelt. Ein Blick in die romani(sti)sche Dialektometrie
18.30–19.45 Uhr
Thomas Krefeld (Ludwig-Maximilians-Universität München): VerbaAlpina - oder: der Transfer der Geolinguistik in die digital humanities
ABSTRACTS
Die Sprachgeographie / géographie linguistique – quantitativ und digital beflügelt. Ein Blick in die romani(sti)sche Dialektometrie
Die hier mittels einer PowerPoint-Show vorzustellende Dialektometrie (nach „Salzburger Art“) – SDM – ist eine Sonderform der „Numerischen Klassifikation“. Dabei werden die Inhalte von altetablierten Datenquellen der Romanistik (etc.) – hier: von „Sprachatlanten“ – zuerst „vermessen“ und dann in die Form von „Matrizen“ gebracht. Die in diesen Matrizen gespeicherten (relativ umfangreichen) Datenmengen – die sowohl linguistisch als auch geographisch relevant sind – werden anschließend nach bestimmten (linguistischen) Vorgaben hinsichtlich von darin enthaltenen „Tiefenstrukturen“ quantitativ verdichtet bzw. durchsucht. Die Resultate dieser „Berechnungen“ werden zuletzt – erneut nach aus der Linguistik stammenden Vorgaben bzw. zur Befriedigung linguistischer Erkenntnisinteressen – in passender Weise visualisiert. Klarerweise werden bei der Lösung all dieser Etappen digitale Methoden bzw. Verfahren eingesetzt. In rein methodischer Hinsicht stellt die SDM ein quantitativ-visualisatorisches Instrument dar, das aber im Kontext der Romanischen Sprachwissenschaft die ebenso altetablierte Methode der „Sprachgeographie“ vertiefend fortsetzt und erweitert. Es werden Beispiele aus den romanischen Sprachatlanten ALF („Atlas linguistique de la France“, 1902-1910) und AIS („Sprach- und Sachatlas Italiens und der Südschweiz“, 1928-1940) vorgeführt. Die gezeigten Berechnungen und Visualisierungen wurden mit dem Programm VDM („Visual DialectoMetry“) durchgeführt, dessen erste Version im Jahr 1999 von Edgar Haimerl (derzeit Seattle, USA) erstellt worden war.
VerbaAlpina – oder: der Transfer der Geolinguistik in die digital humanities
Seit der zügigen Durchsetzung interaktiver und kollaborativer Strukturen im Internet durchlaufen zahlreiche wissenschaftliche Disziplinen einen Prozess tiefgreifenden Wandels, denn im Gefolge der medialen Revolution haben sich die Rahmenbedingungen der Wissenschaftskommunikation substantiell verändert. In den Disziplinen, die sich mit kulturellen Techniken und ihrer geschichtlichen Entwicklung befassen, kann dieser Wandel mit dem Schlagwort der digital humanities identifiziert werden. Die seit je in der sprachlichen Empirie verankerte Geolinguistik ist in geradezu idealer Weise geeignet, um die Notwendigkeit des skizzierten Transfers zu illustrieren. Ausgehend von der detaillierten Vorstellung einer webbasierten Forschungsumgebung (https://www.verba-alpina.gwi.uni-muenchen.de/) zeigt der Vortrag, wie sich die Methodologie der sprachwissenschaftlichen Arbeit ändert, wenn man sich der digitalen Herausforderung stellt. Es ist in der Konsequenz nicht zu übersehen, dass damit ein ganz neues Selbstverständnis der Disziplin einhergeht.
KONTAKT
Prof. Dr. Elisabeth Burr
Institut für Romanistik
Universität Leipzig
http://www.uni-leipzig.de/~burr