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Publikation zu Zufallsbewegungen ist Buchtipp des Monats an der Universität Wien

Das Buch entstand im Rahmen einer Konferenz-Serie, die sich unter der Überschrift „Diffusion Fundamentals“ den allgemeinen Gesetzen der Diffusion widmet und unter Federführung der SAW-Kommision Ausbreitung in Natur, Technik und Gesellschaft an der Universität Leipzig ihren Ursprung hat, wo sie im Jahr der Physik 2005 erstmalig durchgeführt wurde. Die Buchbeiträge stammen von führenden Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen, wie Archäologie, Epidemiologie, Linguistik und Soziologie bis hin zu den Ingenieur- und Naturwissenschaften. Heraugegeben wurde das Buch von  Armin Bunde (Externes Komissionsmitglied der SAW), Jürgen Caro (Korrespondierendes Mitglied der SAW), Jörg Kärger (Ordentliches Mitglied der SAW) sowie Gero Vogl (Korrespondierendes Mitglied der SAW).

In einem Interview berichtete Gero Vogl dem uni:view Magazin über Hintergründe des Buches sowie die Vielseitigkeit der Zufallsbewegungs-Thematik:

uni:view: Kürzlich ist Ihre Publikation "Diffusive Spreading in Nature, Technology and Society" erschienen, die sich mit dem Phänomen der Zufallsbewegung auseinandersetzt. Worum geht es in dem Buch?
Gero Vogl: AutorInnen aus verschiedenen Gebieten der Naturwissenschaften, der Technik, der Geisteswissenschaften, sogar der Ökonomie beschreiben Ausbreitungsvorgänge. Die einen AutorInnen mit etwas mehr Mathematik auf der Basis der Diffusionsgleichung, die Adolf Fick aufgestellt hat. Fick untersuchte um 1850 die Ausbreitung von Salz in reinem Wasser und fand heraus, dass eine Zufallsbewegung des Salzes das Wasser auf berechenbare Weise salziger macht: schneller in der Nähe der Salzkristalle, die Fick am Boden eines Gefäßes deponiert hat, langsamer in größerer Entfernung. Wir nennen die Ausbreitung in der Physik "Diffusion". Andere WissenschafterInnen beschreiben in unserem Buch Ausbreitung eher phänomenologisch mit wenig bis gar keiner Mathematik. Aber immer ist die Zufallsbewegung die Grundlage der untersuchten Phänomene.

uni:view: Eher ungewöhnlich ist, dass in der Publikation die Bewegungen von Bakterien und Menschen verglichen werden. Was haben sie gemeinsam?
Vogl: Die Übertragung von Krankheiten geschieht über Zufallsprozesse, und unsere Vorfahren, die vor ungefähr 8.000 Jahren aus dem Nahen Osten aufgebrochen sind und Ackerbau und Viehzucht mitgebracht haben, folgten sicher nicht einem klaren Ziel, sondern ähnlichen Zufallsgesetzen wie die für die Ausbreitung von Salz in Wasser. Und auch heute – so denke ich – spielt der Zufall bei Flucht und Wanderung eine Rolle: Wer hat auf seinem Handy gehört, dass Angela Merkel "Willkommen" sagte und wer konnte dieser Einladung hinreichend schnell folgen?

uni:view: Selbst abstrakte Dinge wie Ideen, Gerüchte oder Sprache an sich ordnen Sie in "Diffusive Spreading" ein. Können Sie das kurz näher erläutern?
Vogl: Wie das Salz im Wasser können sich auch Ideen und Gerüchte verbreiten. Für solche abstrakten "Dinge" ist es häufig nicht die Ausbreitung im geografischen Raum, sondern die in der Gesellschaft oder einer Gesellschaftsschicht, die für Information und Innovationen aufgeschlossen bzw. anfällig ist. Besonders interessiert mich seit einigen Jahren die Ausbreitung von Sprachen und den (leider) damit verbunden Rückgang anderer. Auch dies ist häufig ein Diffusionsprozess, wie Katharina Prochazka und ich kürzlich für Deutsch und Slowenisch für die Zeit ab 1880 bis heute in Kärnten in einer Publikation gezeigt haben. Im Hinterkopf habe ich dabei immer, dass einige der vom Aussterben bedrohten Sprachen gerettet werden könnten, wenn man den Mechanismus ihres Rückgangs kennt.

uni:view: Was fasziniert Sie persönlich an der Thematik der Zufallsbewegungen?
Vogl: Mich fasziniert die Interdisziplinarität des Phänomens Ausbreitung/Diffusion. Es gibt so viele Analogien und auch wieder Unterschiede. "Wanderung ohne Ziel" – manchmal auch mit Ziel – lässt mich nicht los. Auch im Privaten als Wanderer durch die Berge unserer Heimat, aber auch durch die entlegenen Gegenden anderer Länder.


(Gekürzte Fassung; Das vollständige Interview ist am 9. Juli 2018 im Magazin uni:view der Universität Wien erschienen und hier einsehbar: https://medienportal.univie.ac.at/uniview)

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