Plenarvorträge 2024

Festvortrag am 12. April 2024 im Rahmen der Öffentlichen Frühjahrssitzung

Prof. Dr. phil. nat. Dr. med. habil. Ulrike Köhl (Leipzig)

Professorin für Immunonkologie an der Universität Leipzig; Direktorin des Instituts für Klinische Immunologie am Universitätsklinikum Leipzig; Leiterin des Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunologie, Leipzig, am 10.03.2023 zum Ordentlichen Mitglied der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der Sächsischen Akademie der Wissenschaften gewählt, Forschungsschwerpunkte: Immunonkologie, Zell- und Gentherapie, Entwicklung von Immuntherapien, Zelluläre Immunität des Menschen mit den Schwerpunkten Immunfunktionsprüfungen mittels Durchflusszytometrie und Immundefektdiagnostik

Von „lebenden Krebsmedikamenten“ bis zur Behandlung von Volkskrankheiten

Zellbasierte Immuntherapien und molekulare, zielgerichtete Therapien bilden inzwischen die vierte Säule in der Krebsmedizin. Dabei hat insbesondere die Behandlungen mit sogenannten CAR (Chimäre Antigen Rezeptor) T-Zellen als „lebende Krebsmedikamente“ weltweit zu großen klinischen Erfolgen bei Patienten mit Leukämien und Lymphomen geführt. Inzwischen sind 6 CAR-T-Zelltherapien gerichtet gegen die Krebs Epitope CD19 und BCMA zugelassen.

Neben einer Übersicht zu den Möglichkeiten und Grenzen der personalisierten CAR T-Zelltherapien werden auch neue Wege aufgezeigt, genmanipulierte, allogene Effektorzellen als „off the shelf“ Präparate einzusetzen. Der Einsatz hat inzwischen auch andere Erkrankungen, insbesondere Autoimmunerkrankungen erreicht und spielt zukünftig auch bei den großen Volkskrankheiten eine Rolle. Dazu werden auch eigene Beispiele zum Einsatz von zellulären Immuntherapien und Genscheren aus dem sächsischen ZukunftsCluster „SaxoCell“ präsentiert. Darüber hinaus werden optimierte, automatisierte und digital-gesteuerte Herstellungsprozesse dargestellt, um mit modularen Prozeßstraßen große Patientenkohorten zu adressieren. Zusammenfassend verspricht dieses neue Feld die Medizin der Zukunft zu revolutionieren.

 

Vorträge am 8.2.2024

Prof. Dr. jur. habil. Olaf Werner (Jena)
Professor i. R. für Bürgerliches Recht, Zivilprozessrecht, Handels-, Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht an der Friedrich-Schiller-Universität Jena; am 10. März 1995 zum Ordentlichen Mitglied gewählt. Hauptarbeitsgebiete: Stiftungs- und Vereinsrecht, Erbrecht, Insolvenz- und Verfahrensrecht und zur Unternehmensnachfolge


Privatautonomie und Fremdbestimmung im Stiftungswesen

Ein oft beklagtes, aber ungelöstes Problem ist der Anstieg staatlicher Regulierungen und privaten Machtmissbrauchs, die in der Regel zu einer Einschränkung der Handlungsfreiheiten anderer Rechtssubjekte, insbesondere des Individuums führen. Das Streben nach Macht, deren Ausnutzung erfolgt mit dem Ziel, dass Verhalten anderer Rechtssubjekte zu bestimmen, diese zu entmündigen. Macht über andere kann in allen Lebensbereichen erfolgen. Es handelt sich um das Problem von Freiheit und Macht.
Es ist die Aufgabe des Rechts, die ausufernde Staatstätigkeit und den Machtmissbrauch zu begrenzen, das Individuum vor Eingriffen in die persönliche Autonomie (insbesondere Privatautonomie) zu schützen.
Als typisches und aktuelles Beispiel der versuchten Fremdbestimmung und der Ausnutzung privater Macht bietet sich das Stiftungswesen an. Die gleichen Erkenntnisse treffen aber in großem Umfang auf die gesamte aktuelle Rechts- und Gesellschaftssituation. Dabei wird rechtswidrig in der Praxis unter Verstoß der Kompetenzzuständigkeiten und rechtlichen Regelungen gehandelt.
Das Thema meines Vortrages will dieses Problem verdeutlichen und Lösungswege aufzeigen.

Prof. Dr.-Ing. habil. Sanaz Mostaghim (Magdeburg)
Professorin am Institut für Intelligente Kooperierende Systeme (IKS) der Fakultät für Informatik (FIN) an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg; am 11. Februar 2022 zum Ordentlichen Mitglied der Technikwissenschaftliche Klasse gewählt.
Forschungsgebiete: Computational Intelligence; Multikriterielle Optimierungalgorithmen; Evolutionäre Algorithmen; Multikriterielle Entscheidungsfindungalgorithmen; Schwarmintelligenz, Schwarmrobotik


The Science of decision-making: Individuelle und kollektive Entscheidungsfsindungalgorithmen

Der Vortrag gibt einen Einblick in das Thema (kollektive) Entscheidungs- und Entscheidungsunterstützungssysteme mittels KI-Algorithmen. Die zentrale Frage ist, wie man KI-Algorithmen so entwickeln kann, dass sie den Menschen als Entscheidungsträger in den Mittelpunkt stellen und ihm die Möglichkeit geben, eine fundierte Entscheidung zu treffen. In unserem täglichen Leben beschäftigen wir uns zwangsläufig mit Entscheidungsfindung, insbesondere in kritischen Situationen wie medizinischen Behandlungen. Die Schwierigkeit bei der Entwicklung von KI-Algorithmen entsteht, wenn es Zielkonflikte gibt und mehrere Entscheidungsträger beteiligt sind. Letzteres wird als „kollektive Entscheidungsfindung“ oder „Schwarmintelligenz“ bezeichnet. Das Ergebnis kollektiver Entscheidungsfindung ist emergentes Verhalten, das, ähnlich wie in der Natur, nicht vorhersehbar ist.
In den letzten Jahren haben sich viele Wissenschaftler bioinspirierten Algorithmen zugewandt, die sich an der Natur orientieren. Biologische Systeme lösen außerordentlich komplexe Aufgaben durch dezentrale Strukturen und einen einfachen Aufbau. Eine Besonderheit ist die entstehende Selbstorganisation einfacher Individuen, die gemeinsam globales entstehendes Verhalten erzeugen. Die Herausforderung besteht darin, die Auswirkungen der Selbstorganisation so zu beeinflussen, dass das resultierende Verhalten den „Wünschen“ entspricht. Der Vortrag behandelt die Grundlagen und die technische Umsetzung in der Schwarmrobotik.


Vorträge am 9.2.2024

Prof. Dr.-Ing. habil. Jürgen Czarske (Dresden)
Professor für Mess- und Sensorsystemtechnik an der TU Dresden, kooptierter Professor für Physik, Direktor des Kompetenzzentrums BIOLAS (Biomedical Computational Laser Systems), geschäftsführender Direktor des Instituts für Grundlagen der Elektrotechnik und Elektronik, Fellow OPTICA, SPIE, EOS, IET, IoP, am 9. Februar 2018 zum Ordentlichen Mitglied der Technikwissenschaftlichen Klasse gewählt. Forschungsgebiete: Biomedizinische Lasersysteme, Optogenetik, adaptive Optik, faseroptische Endomikroskopie, Laser-basierte Messtechnik für Organoide, sichere faseroptische Datenübertragung, Quantentechnologie zweiter Generation

Minimal-invasive Laser-basierte Endoskopie mit Glasfasern für die Biomedizin

Licht hat das Potenzial, den Ursprung von Krankheiten zu erkennen, ihnen vorzubeugen oder sie frühzeitig und schonend zu heilen. Die frühzeitige Diagnose ist ein Schlüssel zur Verbesserung der Überlebens- und Heilungsrate von Patienten. Bei einer konventionellen Biopsie mit Gewebeentnahme dauert es jedoch oft mehrere Stunden, bis der Chirurg die Ergebnisse der Diagnose kennt. Die optische Histopathologie ermöglicht eine intraoperative Diagnose in Echtzeit ohne Gewebeentnahme. Es wird der Paradigmenwechsel präsentiert, mit nadeldünnen, faseroptischen Endoskopen eine Gewebeklassifizierung unter Nutzung von AI in der Neurologie zu erreichen. Für die Optik und Photonik wurden über 40 Nobelpreise vergeben. Es liegt ein noch weitgehend ungenutztes Innovationspotential der Optik und Photonik für die Biomedizin vor, so dass grundlegende Erkenntnisse für einen Fortschritt für die Wissenschaft und in die Praxis transferierte Innovationen zu erwarten sind.

Prof. Dr. rer. nat. habil. Jan-Michael Rost (Dresden)
Direktor und wissenschaftliches Mitglied am Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme, Honorarprofessor für Theoretische Quantendynamik an der Technischen Universität Dresden, am 10. Februar 2012 zum Ordentlichen Mitglied der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse gewählt, Forschungsgebiete: Nichtlineare Prozesse in der Wechselwirkung von Materie mit Licht: ultrakalte und ultraschnelle Prozesse; semiklassische Theorie von Quantenphänomenen; „non-mainstream“ Fragen: Ursprung von Zeit und Kausalität im Rahmen der Physik

Ist Physik zeitlos?

Aus der Perspektive komplexer Systeme ist es die Beziehung zwischen einzelnen Agenten oder Subsystemen, die alle Phänomene hervorbringt. Insbesondere erweisen sich uns vertraute Observable der Natur wie Druck oder Temperatur als emergent, also abgeleitet aus diesen Beziehungen.
Im Vortrag werde ich die Idee relationaler Dynamik vorstellen, die auch Zeit selbst als emergent und damit abgeleitet aus komplexen Beziehungen zwischen einem System und seiner Umgebung beschreibt, wobei beide zusammen in einem zeitlosen, quantenmechanischen Urzustand verschränkt sind. Zeit "entsteht", wenn das Gesamte in System und Umgebung getrennt wird. Dies gilt, wie wir sehen werden, auch für Temperatur.
Das Zeitverständnis selbst ist dabei alles andere als zeitlos. Die aktuelle Metamorphose ist dem Wandel der Perspektive in der Physik
von "Semiklassik & Chaos" hin zu "Quantenwissenschaft & Entanglement" geschuldet. 

 

Vorträge am 12.1.2024

Prof. Dr. Catrin Schmidt (Dresden)
Professorin an der Technischen Universität Dresden, Direktorin des Institutes für Landschaftsarchitektur der TU Dresden; Ordentliches Mitglied der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse seit 2015; Arbeitsschwerpunkte: Landschaftliche Transformationsprozesse, Methodenentwicklung in der Landschaftsplanung, Kulturlandschaftsforschung, Stadt- und Regionalentwicklung

Landschaftliche Resilienz am Beispiel urbaner Wasserkrisen

Von Resilienz wird aktuell gern und häufig gesprochen. Aber gibt es auch eine landschaftliche Resilienz? Warum gehen manche Landschaften gestärkt aus Krisen hervor, während andere nicht vermögen, ihre Funktionen und ihren Landschaftscharakter nach Störungen wiederherzustellen? Ich werde in meinem Vortrag der Frage nachgehen, ob es landschaftsübergreifend Einflussfaktoren und Prinzipien gibt, die Resilienz landschaftsbezogen stärken können. Anhand urbaner Wasserkrisen und verschiedener Fallbeispiele – von Kuala Lumpur über Singapur bis Leipzig und Umgebung – werden Bedingungsgefüge und Zusammenhänge erörtert und Ansatzpunkte aufgezeigt.


Prof. Dr. phil. habil. Georg Schmidt (Jena)
Professor i. R. für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Ordentliches Mitglied der Philologisch-historischen Klasse seit 9. Januar 1998, Korrespondierendes Mitglied seit 9. Juni 2000, Forschungsschwerpunkte: Sozial- und Verfassungsgeschichte des frühneuzeitlichen Reiches, insbesondere Kleinere Reichsstände, Widerstand und Revolten, Konfessionalisierung, das Alte Reich, Staat und Nation in der Frühen Neuzeit

„Es lebe die Freiheit …“ Goethes politische Vorstellungen

Apolitisch oder an Politik nicht interessiert waren weder der Staatsmann noch der Dichter Goethe. Sein Pazifismus, seine Hochschätzung des Alten Reichs, Napoleons und der französischen Kultur, seine massive Kritik am Nationalismus und dem veloziferischen Zeitalter oder seine Bemühungen um den in Rollen zerrissenen Menschen passten nicht zur nationalen Aufbruchstimmung des 19. Jahrhunderts und wurden mit dem Genius des unpolitischen Klassikers neutralisiert. Mit dem Guten, Wahren und Schönen wollte Goethe die Menschen von der Politik nicht fernhalten, sondern auf den vernünftigen Umgang mit der Freiheit vorbereiten, die für ihn in der Möglichkeit bestand, stets das Vernünftige zu tun. Goethe hat weder die Moderne noch den Liberalismus erfunden und das Grundgesetz basiert keineswegs auf seinen Werten (J. Adler). In Faust II bietet der alte Goethe Versatzstücke seiner Weltsicht, die sich nicht mehr zu einer Einheit fügen.

Termine
RECHT HABEN WOLLEN. Wie sollen gesellschaftlich brisante Themen in der Wissenschaft debattiert werden? 07.06.2024 09:00 - 18:00 — Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Karl-Tauchnitz-Straße 1, 04107 Leipzig
Akademie-Forum: "Gender in Grammatik und Sprachgebrauch" 28.06.2024 16:00 - 18:00 — Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Karl-Tauchnitz-Straße 1, 04107 Leipzig
26th International Conference of the European Association for South Asian Archaeology and Art 16.09.2024 - 20.09.2024 — Universität Leipzig, Augustusplatz 10, 04109 Leipzig
Texttransfer und intertextuelle Bezüge in den Inschriften des Mittelalters und der Frühen Neuzeit 07.10.2024 - 09.10.2024 — Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Karl-Tauchnitz-Straße 1, 04107 Leipzig
… darf man das? 21.10.2024 19:00 - 21:00 — Kupfersaal Leipzig, Kupfergasse 2, 04109 Leipzig
Denkströme

Denkströme IconDas Open Access (Online-)Journal der Sächsischen Akademie der Wissenschaften:

www.denkstroeme.de

Diffusion Fundamentals

Diffusion Fundamentals IconInterdisziplinäres Online Journal für Diffusionstheorie in Kooperation mit der Universität Leipzig:
diffusion.uni-leipzig.de

Internationale Konferenzreihe:
saw-leipzig.de/diffusion