Vorträge am 10.3.2023
Prof. Dr. rer. pol. habil., em. Hans Wiesmeth (Dresden)
Professor für Volkswirtschaftslehre an der Technischen Universität Dresden; Mitglied der Technikwissenschaftlichen Klasse seit dem 13. Februar 2004, Präsident der SAW seit 1. Januar 2016.
Forschungsgebiete: Allgemeine Gleichgewichtstheorie, Allokationsansätze, Allokationsmechanismen für öffentliche Güter, insbesondere auch im Umweltbereich, Umweltökonomie in Theorie und Praxis.
Klimapolitik in schwierigen Zeiten – Herausforderungen und Chancen
Spätestens seit dem „Erdgipfel“ 1992 in Rio de Janeiro gibt es internationale Bemühungen, die Treibhausgasemissionen zu beschränken – bisher ohne durchschlagenden Erfolg. Nicht nur die „Conference of the Parties“ letzten November in Sharm el-Scheich (COP 27) gibt Zeugnis davon. Einige reichere Länder, wie Deutschland, das von Anfang bei diesen Bemühungen dabei war (COP 1 war 1995 in Berlin), können zwar beachtliche Reduktionen der Emissionen aufweisen, haben aber immer noch Schwierigkeiten, die selbstgesteckten Ziele zu erreichen. Dies ist insofern erstaunlich, als einerseits die Gefahren des Klimawandels seit langem weithin bekannt sind, andererseits seit geraumer Zeit Technologien zur Verfügung stehen, um den Klimawandel abzubremsen. Auch in Hinblick auf die vereinbarte Unterstützung bei der Adaption an den Klimawandel (Klimafonds) für besonders gefährdete ärmere Länder tut sich wenig. Was steckt hinter diesen Beobachtungen? Im Vortrag werden einige Aspekte, die aus volkswirtschaftlicher Sicht relevant sind, erläutert. Die Herausforderungen, die national sowie international zu bewältigen sind, werden ebenfalls analysiert. Trotz allem ergeben sich dabei auch Chancen für die Wirtschaft.
Zur Einordnung: Die Volkswirtschaftslehre interessiert sich für das (wirtschaftliche) Verhalten der Menschen unter gewissen Rahmenbedingungen, die sich extern (Corona-Nachwirkungen, Ukrainekrieg, Inflation, ...) entwickeln oder intern über die allgemeine Wirtschaftspolitik vorgegeben werden.
Prof. Dr. sc. math. Matthias Schwarz (Leipzig)
Professor für Mathematik in den Naturwissenschaften an der Universität Leipzig, am 13. Februar 2015 zum Ordentlichen Mitglied der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse gewählt.
Forschungsschwerpunkte: Symplektische Geometrie, Symplektische Topologie; Hamiltonsche Dynamische Systeme; Globale Analysis, Morse-Theorie, Floer-Theorie
Geometrie und Symmetrien der komplexen Zahlen
Die Grundgleichung der Quantenphysik wäre ohne die Mathematik der komplexen Zahlen nicht formulierbar. Die Geometrie und die Symmetrien der komplexen Zahlen spielen auch eine wichtige methodische Rolle in der Erforschung Dynamischer Systeme aus der Physik. Im Vortrag werden einige charakteristische Merkmale dieser nicht-euklidischen Geometrie anhand von praktischen Anwendungen beleuchtet. Die Leipziger Mathematiker August Ferdinand Möbius (1790-1859, Mitbegründer der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften) und Paul Koebe (1882-1945) nehmen dabei fundamentale Rollen ein.
Vorträge am 10.2.2023
Prof. Dr. rer. nat. habil. Daniel Huster (Leipzig)
Professor für Medizinische Biophysik an der Universität Leipzig; am 8. Februar 2013 zum Ordentlichen Mitglied der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse gewählt.
Forschungsgebiete: Festkörper-NMR-Spektroskopie; Struktur- und Dynamik- Untersuchungen von Membranproteinen, Amyloiden Strukturen und Protein-Ligand-Komplexen; Chemische und Biophysikalische Analytik von biologischen Geweben.
Die Struktur der Zellmembran – fluide, elastisch und adaptierbar
Das Flüssig-Mosaik-Modells der Zellmembran aus den 70er Jahren (Singer & Nicolson, 1972) beschreibt die Biomembranen als flüssig-kristalline Lipiddoppelschicht, in der die Membranproteine mosaikartig vorhanden und lateral frei beweglich sind. Insbesondere gelten Biomembranen nicht als starre, sondern als dynamische Strukturen. In den letzten Jahrzehnten wurde das Modell kontinuierlich weiterentwickelt. Heute ist bekannt, dass die Lipide eine laterale Heterogenität aufweisen, die einer großen Dynamik unterliegt. Weiterhin wurden große Erfolge bei der Strukturbestimmung von verschiedenen Membranproteinen erzielt, u.a. Nobelpreise 1988 (Michel, Deisenhofer, Huber), 2003 (Mackinnon) und 2012 (Kobilka). Im Vortrag werde ich in einem allgemeinen Teil zunächst die Komplexität von Zellmembranen erläutern, auf laterale Inhomogenitäten der Lipidverteilung eingehen und die grundsätzliche Architektur von Membranproteinen erklären. Im zweiten Teil möchte ich eine aktuelle Studie vorstellen, in der wir die Wechselwirkungen zwischen den Lipiden und einem Membranprotein genauer untersucht haben.
PD Dr. phil. habil. Christian Schmidt (Berlin)
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin, Mitglied des Jungen Forums der Akademie seit 14. Dezember 2018.
Forschungsgebiete: Praktische Philosophie / Rechts- und Sozialphilosophie.
Technologie als Verhängnis
In den letzten Jahren häufen sich gesellschaftliche Auseinandersetzungen um den Einsatz von Technologien, deren Auswirkungen politische Verfahren korrumpieren oder gar das menschliche Leben im planetaren Maßstab bedrohen. Ausgehend von diesen Debatten stellt sich ganz grundsätzlich die Frage, welches Verhältnis Gesellschaften zu den Technologien haben, die von ihnen hervorgebracht wurden und sie nun prägen. Ein rein instrumentelles Verständnis von Technologien unterschätzt deren prägenden Charakter, der sich unter anderem darin erweist, dass sie ganze Lebensformen stützen. Für Technologien gilt damit, was auch für soziale Ordnungen ganz generell gilt: Sie werden von Menschen geschaffen und sind damit prinzipiell einer absichtsvollen Veränderung durch Menschen zugänglich. Als komplexe soziale Gebilde widersetzen sie sich aber auch einer willkürlichen Veränderung. Zu viele Praktiken und Lebensvollzüge hängen von ihnen ab, um sie einfach aufzugeben oder radikal zu transformieren. Im Vortrag werde ich deshalb untersuchen, wie technologische Beharrungstendenzen zu verstehen sind und welche Ansätze zu einer bewusst gesteuerten technologischen Transformation sich aus dem Vergleich mit Veränderungen sozialer und politischer Ordnungen gewinnen lassen.
Vorträge am 13.1.2023
Prof. Dr. phil. habil. Hans Ulrich Schmid (Leipzig)
Professor i. R. für Geschichte der deutschen Sprache und für Historische Sprachwissenschaft an der Universität Leipzig; am 11. Februar 2005 zum Ordentlichen Mitglied der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse gewählt, Projektleiter des „Althochdeutschen Wörterbuchs“, Vorsitzender der Projektbegleitenden Kommission der „Deutschen Inschriften des Mittelalters und der Frühen Neuzeit“.
Forschungsgebiete: Historische Laut- und Wortgeographie, Epigraphik des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit, Lexikographie des rezenten Bairischen und des Neuisländischen, Wortbildung des Althochdeutschen und des Bairischen.
Bescheiden – Kurze Skizze einer Wortgeschichte
Bescheiden-heit leitet sich – unschwer zu erkennen – vom Adjektiv bescheiden her, und dieses geht auf das Verbum bescheiden zurück. Das Verbum wiederum ist eine Präfixbildung zu scheiden. Bei etwas näherem Hinsehen zeigt sich eine Schwierigkeit, denn das Adjektiv bescheiden ist eigentlich ein zum Adjektiv gewordenes Partizip Präteritum, aber es fügt sich nicht (mehr) ins Formenparadigma des zugrundeliegenden einfachen Verbs. Vom heutigen Standpunkt aus wäre ja zu erwarten, dass es beschieden heißt, und nicht bescheiden. Wenn diese geringfügige formale Schwierigkeit geklärt ist, kann die Bedeutungsentwicklung in den Blick genommen werden.
Eine Bedeutungsgeschichte muss beim Verb bescheiden ansetzen. Dessen früheste Bedeutungen (mittelhochdeutsch, 12. Jahrhundert) lassen noch den Zusammenhang des Verbums mit dem Simplex scheiden erkennen. Die Bedeutung ist ‘auseinanderhalten, trennen’ (z.B. zwischen richtig und falsch, zwischen gut und böse). Dementsprechend bedeutet das Adjektiv bescheiden in etwa ‘fähig zu unterscheiden’ (= „bescheiden I“), im Weiteren dann auch ‘wissend, klug, verständig’ (= „bescheiden II“). Daraus entwickelt sich im Laufe der Zeit die heute noch gebräuchliche Bedeutung ‘zurückhaltend, maßvoll’ („bescheiden III“). Erst in der jüngsten Vergangenheit bildete sich schließlich die Bedeutung ‘qualitativ schlecht, mies’ heraus (= „bescheiden IV“), wobei sicherlich der Anklang an ein ähnlich anlautendes Verbaladjektiv, nämlich be-sch..., mit ursächlich gewesen ist.
Abschließend kann anhand der Darstellung des Wortes bescheiden in modernen lexikographischen Handbüchern ein Blick auf die Situation der aktuellen Lexikographie geworfen werden, und zwar verbunden mit der Frage: Ist diese Situation bescheiden I? – bescheiden II? – bescheiden III? – oder am Ende doch nur bescheiden IV ...?
Prof. Dipl.-Ing., Dr. rer. nat. techn. habil. Harald Rohm (Dresden)
Professor für Lebensmitteltechnik an der Fakultät Maschinenwesen der Technischen Universität Dresden, am 10. Februar 2017 zum Ordentlichen Mitglied der Technikwissenschaftlichen Klasse der Sächsischen Akademie der Wissenschaften gewählt.
Forschungsschwerpunkte: Lebensmitteltechnologische Fragestellungen (vor allem im Bereich Milchprodukte, Süßwaren und Backwaren), technofunktionelle Eigenschaften von Biopolymeren, mikrobielle Exopolysaccharide, Lebensmittelrheologie, Hochgeschwindigkeitsschneiden.
Nachhaltigkeit in der Lebensmittelproduktion: wie, was, warum ...
Nachhaltigkeit in seiner komplexen und vielschichtigen Bedeutung hat sich in den letzten Jahren zu einem zentralen Bestandteil gesellschaftlichen Handelns und gesellschaftlicher Verantwortung entwickelt. Als „nachhaltig“ wird eine Entwicklung dann bezeichnet, wenn sie zwar den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht und dabei aber nicht die Möglichkeiten künftiger Generationen gefährdet, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Auch nachhaltige Ernährung („sustainable diets“ im FAO-Dokument), die für eine Transformation des Lebensmittelverbrauchs einschließlich der vor- und nachgelagerten Prozesse steht, kann als wesentlicher Bestandteil einer nachhaltigen Entwicklung gesehen werden.
Im Vortrag werden, aufbauend auf einleitenden Darstellungen, Probleme und Herausforderungen entlang der Wertschöpfungskette unter Berücksichtigung von Zieldimensionen besprochen und allgemeine, breit gefasste Ansätze für eine nachhaltigere Gestaltung der Ernährung präsentiert. Ausgehend von den verfügbaren Informationen zu während der gesamten Wertschöpfung entstehenden Verlusten und Abfällen wird dann auf Möglichkeiten zur zielgerichteten Weiterverwendung von Koppelprodukten, die bei der Herstellung ausgewählter pflanzlicher und tierischer Lebensmittel anfallen, eingegangen. Dabei wird auch auf stoffliche Besonderheiten fokussiert, die bei einer Substitution konventioneller Produktbestandteile zu beachten sind.